Kastration von Böckchen & Weibchen

Kastration

Ein ständiges (Streit-) Thema unter Züchtern, Liebhabern und auch Tierärzten.

Der häufigste und vorrangige Grund für solche Eingriffe ist das Unfruchtbarmachen der Böckchen.

Bei Weibchen meist aus der Not heraus, weil gesundheitliche Probleme vorliegen. Seit einiger Zeit wird die Eierstockentfernung zum Unfruchtbarmachen populärer, besonders da ein solcher Eingriff das Ovarialzysten Problem im Keim erstickt. Über 80% der bisher operierten Tiere haben kleine und (noch) nicht störende Zysten, und das bereits in einen Alter von unter 2 Jahren. Zwischen 2 und 5 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit von Zysten die einem Eingriff benötigen auf etwas über 40%. Ab 6 Jahren sind es über 75 %. Mit zunehmendem Alter steigt das Narkoserisiko.

Bei Katzen und Hunden ist es kein unüblicher Eingriff. Warum also beim Meerschweinchen? Warum nicht solchen Problemen vorbeugen und zusätzlich weitere positive Aspekte abschöpfen?

Tierschutzgesetz
 § 6

(1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn

1. der Eingriff im Einzelfall

a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder

....

5. zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird.

Eingriffe nach Satz 2 Nummer 1 und 5 sind durch einen Tierarzt vorzunehmen; 

...


Böckchen Kastration

Die Hodenentfernung ist ein s.g. unblutiger chirurgischer Eingriff, bei dem unter Narkose der Hodensack geöffnet und die Hoden und Nebenhoden entfernt werden.

Durch die Entfernung der Hoden werden die Böckchen nicht geschlechtslos, da das Testosteron nicht ausschließlich im Hoden, sondern auch in der Nebennierenrinde und der Hirnanhangdrüse produziert wird. Es macht sie lediglich zeugungsunfähig.



Hoden eines Altbocks
Hoden eines Altbocks und eines Frühkastraten


Warum kastrieren?

Das, in der Regel, gut überschaubare Risiko steht einem guten und wesentlich entspannterem Leben gegenüber. Der Hormondruck ist geringer und somit der Kastrat nur noch insoweit triebgesteuert, wie es seinem Charakter entspricht, weil er nicht mehr dem dauernden Testosteronüberschuss ausgesetzt ist. Es tut seinem Wesen keinen Abbruch. Eher im Gegenteil. Nach unseren Beobachtungen bringt die Entspannung seine besten Seiten zum Vorscheinen.

Der Kastrat wird auch ohne Hoden seinen Mann stehen, die Damen bebromseln und bei Laune halten. Auch den Deckakt wird er ausführen, der dann aber ohne Folgen bleibt. Sehr zur Freude aller beteiligten.

Sozial aufgewachsene Kastraten sind viel souveräner im Umgang mit Artgenossen und darum die besseren Böcke. Sie werden wesentlich weniger Aufregung und Ärger produzieren. Damit wird der Stress Level der ganzen Gruppe wesentlich geringer und erhöht damit die Gesundheit und Langlebigkeit aller.

Eine friedliche und harmonische Gruppe bedeutet auch mehr Freude für den Menschen, weil sich der positive Effekt beim Beobachten auf den Menschen ausweitet und er nicht in Sorge um die Tiere in Stress gerät. Auch spart es Tierarztkosten.

Wann und wen kastrieren?

Ein seriöser Züchter wird immer nur solche Böcke zur Zucht einsetzten, bei sich selber oder durch andere Züchter, die dem Anspruch genügen. Das heißt, neben der Grundvoraussetzung das alle Zuchttiere gesund sind, sie auch dem jeweiligen Rassestandart entsprechen und diese positiven Eigenschaften auch weiter geben. Im Idealfall gilt das natürlich für den ganzen Wurf. Trotzdem können nicht alle Tiere in die Zucht gelangen. Darum sind Züchter fürchterliche Erbsenzähler und nörgeln auf höchstem Niveau. Nun, dabei fallen immer einige Böcke durch das penible Auswahlverfahren auf der Suche nach dem perfekten Bock.

Was passiert nun mit den anderen gesunden, wunderschönen und meist mindestens genauso tollen und liebenswerten Böckchen? Liebhaber wollen doch immer nur (und möglichst ausschließlich) Weibchen? Nur wenige haben die Vorteile von Boygroups erkannt und fragen nach diesen Jungs. Zum Glück erkennen das aber langsam immer mehr Meerschweinchen Freunde. Und auch die Halter mit Weibchen Gruppen erkennen die Wichtigkeit eines Kastraten in der Gruppe.

Löblich für all die Züchter, die ihre Jungs, die nicht in die Zucht gehen immer und möglichst frühzeitig kastrieren lassen. Leider ist das nicht immer so einfach auszuführen.

Was darf ein Kastrat kosten?

Kein Züchter verdient etwas durch den Verkauft seiner Tiere. Das sei vorab gesagt. Es geht also bei der Festsetzung von Preisen nie um eine wirtschaftliche Rechnung. 

Kostenbeispiel für die Kastration eines männlichen Meerschweinchen an Hand der Gebührenverordnung für Tierärzte (GOT) Stand 22. November 2022

Beispiel Rechnung bei 2-fachem Gebührensatz

GOT Position Tierärztliche Leistungen Preis
17 Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Heimsäugetier
30,78 €
311 Injektionsnarkose, Heimsäugetier 
43,12 €
379 Urologie: Kastration, Heimsäugetier, männlich
61,64 €
§7 / §9 Entgelt für angewandte und Abgegebene Medikamente
 ? €
§7 Entgelt für Verbrauchsmaterialien (Handschuhe, Tücher, Nahtmaterial, Tupfer, …)
? €




Zwischensumme 
über 135,00 €

19 % MwSt. auf Leistungen 
25,75 €

19 % MwSt. auf abgegebene Medikamente

19 % MwSt. auf angewandte Medikamente


________________zu zahlender Betrag

_über 160,00 €

Es ist den Praxen freigestellt, ob sie den einfachen, doppelten (wie im Beispiel) oder dreifachen Gebührensatz abrechnen. Darauf hat man keinen Einfluss.

Kaum eine Praxis rechnet tatsächlich den einfach Satz ab, da das schlicht nicht wirtschaftlich ist. Einige Praxen gewähren aber Züchtern und Notstationen günstigere Kastrationspreise. (Danke an dieser Stelle allen Tierärzten die das tun!) Trotzdem ist vom Züchter wohl kaum zu erwarten, dass er auf den Kastrationskosten sitzen bleibt und dazu noch das liebevoll aufgezogene Tier aus einer gewissenhaften Verpaarung verschenkt.

Frühkastrat, Jungkastrat, Altkastrat

Die Geschlechtsreife beginnt mit dem Abstieg der Hoden in den Hodensack. Das ist meist bei einem Alter von ca. 4 Wochen und einem Gewicht von ca. 250 g. Sehr große Böckchen können schon mit 2 – 3 Wochen 300 g und mehr haben. Einige sind dann auch bereist geschlechtsreif, andere nicht. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Sehr kleine Jungs haben erst mit 6 Wochen mit Mühe 300 g erreicht und die Hoden sind noch nicht abgestiegen. Der Status des Hodenstandes bestimmt darüber, ob es ein Frühkastrat ist, oder nicht.

Der Frühkastrat hat den Vorteil, dass er nicht mit der Geschlechtsreife von den weiblichen Meerschweinchen getrennt werden muss. Er wird also viel länger in der gemischt geschlechtlichen Gruppe aufwachsen und dort erzogen. Das erleichtert ihm im späteren Leben jede Vergesellschaftung. Oft auch die mit weniger gut sozialisierten Tieren. Die Frühkastration unterbindet nicht seine geschlechtstypische Entwicklung. Er wird auch ein ganzer Kerl, der sich sogar zum geeigneten Haremswächter entwickeln kann.

Der Jungkastrat ist nach der Geschlechtsreife aber vor dem Zuchteinsatz kastriert. Das heißt, er wird in der Regel in der ersten Hälfte seines ersten Lebensjahres, manchmal auch später, kastriert. Oft ab 600 g, weil das den meisten Tierärzten so am liebsten ist. Es dauert meist einige Zeit bis Tierärzte erkennen das die Katration von jüngeren und entsprechend leichteren Tieren besser vertragen wird.

Ein Altkastrat ist meist ein Jahr oder sogar älter. Der Altkastrat beim Züchter ist meist ein ehemaliger Zuchtbock und weiß mit Damen sehr gut umzugehen. Leider gilt das nicht immer auch für den Umgang mit Jungs. Mit Babyböckchen bis zur Rappelphase geht es meist, doch dann sind sie durch die oftmals eigene, eingeschränkte Sozialisierung damit überfordert und es kommt zu Kämpfen. Mit etwas Glück wird es nur ein Biss, der ohne aufgefallen zu sein verheilt und für beständigen Frieden sorgt. Bei etwas Pech wird ein Ohr geschlitzt, was zwar fürchterlich blutet, aber meist ohne Probleme innerhalb weniger Tage verheilt. Es kann aber auch zu größeren Ohrschäden und sogar tiefen und schweren Verletzungen kommen.

https://file2.hpage.com/014231/46/bilder/esra_2016_10_19.jpg

Hier wurde ein Stück Ohr herausgebissen.
Dieser arme Kerl hatte nicht nur diese eine schwere Verletzung, es waren noch mehr. Über den ganzen Körper verteilt.


Ein Kastrat, der nicht gezüchtet hat und immer mit Jungs gelebt hat, weiß hingegen nicht unbedingt wie er mit Mädels umzugehen hat. In der Regel sollte aber derjenige, der seine Kastraten abgibt auch die Charaktere zu Genüge kennen um sie in die passende Gruppe zu vermitteln.

Die Legehorn Entfernung

Im Gegensatz zur Katration von männlichen Säugetieren haftet der der von Weibchen noch immer ein schlechter Ruf an, außer bei Katzen und gelegentlich Hunden. Dazu wird sich immer wieder auf das Amputationsverbot laut § 6 des Tierschutzgesetztes hingewiesen. (relevante Kurzform sie oben)

Dabei liegt beim Meerschweinchen Weibchen die notwendige medizinische Indikation fast immer vor, während sie bei einer Hodenentfernung (Artübergreifend) so gut wie nie gegeben ist. Denn 80% aller Sauen haben oder entwickeln Ovarialzysten (Eierstockzysten). Mit zunehmenden Alter steigt die Gefahr der hormonellen Entartung an. Viel zu viele Weibchen sterben an nicht erkannten Ovarialzysten.



Legehörner

Legehörner mit sehr großen Zysten


Welche Kosten sind zu erwarten?

Kostenbeispiel für die Legehorn und Eierstock Entfernung eines Weiblichen Meerschweinchen an Hand der Gebührenverordnung für Tierärzte (GOT) Stand 22. November 2022

Beispiel Rechnung bei 2-fachem Gebührensatz

GOT Position Tierärztliche Leistungen Preis
17 Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Heimsäugetier
30,78 €
311 Injektionsnarkose, Heimsäugetier 
43,12 €
379 Gynäkologie, Legehorn und Eierstock Entfernung , Heimsäugetier, männlich
184,36 €
§7 / §9 Entgelt für angewandte und Abgegebene Medikamente
 ? €
§7 Entgelt für Verbrauchsmaterialien (Handschuhe, Tücher, Nahtmaterial, Tupfer, …)
? €




Zwischensumme 
über 260,00 €

19 % MwSt. auf Leistungen 
49,07 €

19 % MwSt. auf abgegebene Medikamente

19 % MwSt. auf angewandte Medikamente


________________zu zahlender Betrag

_über 310,00 €

Es ist den Praxen freigestellt, ob sie den einfachen, doppelten (wie im Beispiel) oder dreifachen Gebührensatz abrechnen. Darauf hat man keinen Einfluss.

Kaum eine Praxis rechnet tatsächlich den einfach Satz ab, da das schlicht nicht wirtschaftlich ist. Einige Praxen gewähren aber Züchtern und Notstationen günstigere Kastrationspreise. (Danke an dieser Stelle allen Tierärzten die das tun!) Trotzdem ist vom Züchter wohl kaum zu erwarten, dass er auf den Kastrationskosten sitzen bleibt und dazu noch das liebevoll aufgezogene Tier aus einer gewissenhaften Verpaarung verschenkt.

Therapie von Ovarialzysten

Bisherige Behandlungen / Behandlungsansätze waren eine Hormonbehandlung per Injektion, was einen eigentlich unzumutbaren Stress bedeutet.

Das zerdrücken der Zysten, was nicht nur höllisch schmerzhaft ist, sondern zu freier Flüssigkeit im Bauraum führt und somit, je nach Menge, mit einer in der Regel tödlich verlaufenden Bauchfellentzündung einhergeht.

Oder eine vollständige Legehornentfernung per Bauchschnitt. Ein sehr geübter Tierarzt macht nur einen kleinen Schnitt und zieht die Legehörner vor. Dann besteht eine ca. 80 % Überlebenschance für die Sau. Sind aber die Zysten bereits recht groß und / oder der Tierarzt nicht so geübt darin, fällt der Schnitt zu groß aus, es entsteht „Unordnung“ im Bauchraum durch die Verlagerung der Darmschleifen, oder diese wurden ver- oder gar vorgelagert, wird sich die Sau zu 99 % nicht erholen und spätestens einige Zeit nach dem Eingriff versterben.

Die "neue" Methode

Ein Thüringer Tierarzt hat 2019 mit Hilfe einer Züchterin eine andere OP Methode entwickelt. Es handelt sich um eine minimalinvasive Ovarektomie. Dazu werden ca. 1 cm große Schnitte rechts und links in den oberen Flankenbereich gesetzt. Dadurch werden die Ovarien (Eierstöcke) abgebunden und entfernt. Eine innere Naht schließt die Bauchdecke und eine weitere die Haut. Die Legehörner verbleibt im Körper. Die OP selbst ist sehr sauber und es haben sich noch nie Abszesse gebildet und es hat mit dieser Methode noch keine Todesfälle gegeben. Es verbleibt das normale Narkoserisiko.  

Am Tag nach der OP dürfen sie wieder in ihre gewohnte Gruppe oder zu Böckchen. Nur zu übermotivierten Böcken mit übertriebenem Deckbedürfnis sollten sie erst eine Woche nach dem Eingriff, damit beim Aufreiten nicht versehentlich die Wundränder beschädigt oder gar die Fäden gezogen werden.

Welche Kosten sind zu erwarten?

Kostenbeispiel für die Eierstock Entfernung eines Weiblichen Meerschweinchen an Hand der Gebührenverordnung für Tierärzte (GOT) Stand 22. November 2022

Beispiel Rechnung bei 2-fachem Gebührensatz

GOT Position Tierärztliche Leistungen Preis
17 Allgemeine Untersuchung mit Beratung, Heimsäugetier
30,78 €
311 Injektionsnarkose, Heimsäugetier 
43,12 €
379 Gynäkologie, Ovarektomie , Heimsäugetier, männlich
162,80 €
§7 / §9 Entgelt für angewandte und Abgegebene Medikamente
 ? €
§7 Entgelt für Verbrauchsmaterialien (Handschuhe, Tücher, Nahtmaterial, Tupfer, …)
? €




Zwischensumme 
über 240,00 €

19 % MwSt. auf Leistungen 
44,97 €

19 % MwSt. auf abgegebene Medikamente

19 % MwSt. auf angewandte Medikamente


________________zu zahlender Betrag

_über 285,00 €

Es ist den Praxen freigestellt, ob sie den einfachen, doppelten (wie im Beispiel) oder dreifachen Gebührensatz abrechnen. Darauf hat man keinen Einfluss.

Kaum eine Praxis rechnet tatsächlich den einfach Satz ab, da das schlicht nicht wirtschaftlich ist. Einige Praxen gewähren aber Züchtern und Notstationen günstigere Kastrationspreise. (Danke an dieser Stelle allen Tierärzten die das tun!) Trotzdem ist vom Züchter wohl kaum zu erwarten, dass er auf den Kastrationskosten sitzen bleibt und dazu noch das liebevoll aufgezogene Tier aus einer gewissenhaften Verpaarung verschenkt.

Die Vorteile einer Kastratin

Kastratinnen sind eine vorzügliche Bereicherung jeder Böckchengruppe beim Züchter, denn sie befrieden die Jungs ungemein und verbessern so das Sozialverhalten durch gemischtgeschlechtliche Gruppenerziehung vorbildlich.

Eine friedliche und harmonische Gruppe bedeutet auch mehr Freude für den Menschen, weil sich der positive Effekt beim Beobachten auf den Menschen ausweitet und er nicht in Sorge um die Tiere in Stress gerät. Auch spart es Tierarztkosten.

Warum "funktionieren" kastrierte Weibchen in der Bockgruppe?

Eine Weibchen Kastration wird in der Regel bei mindestens einjährigen Damen, oft erst nach dem Zuchteinsatz, durchgeführt. Ein solches Tier ist zum einen bestens sozialisiert und erfahren mit Böcken und der der Erziehung von Jungtieren. Sie sind abgeklärt und von ausgeglichenem Temperament, wünschen Ruhe und Harmonie, sind aber dominant genug um sich nichts gefallen zu lassen.

Die Jungs wissen das zu schätzen. Die Absetzer haben eine Mutterfigur die ihnen Geborgenheit und Trost spenden. Die Halbstarken lernen zu Flirten ohne zu "Vergewaltigern" zu werden, wenn die in Verpaarung kommen. Ältere Böcke haben optimale Unterstützung bei er Erziehung aller Jungtiere.

Da kastrierte Weibchen keinen Zyklus mehr haben, riechen sie nie nach Brunst und stacheln so die Jungs nicht zu Platzhirsch-Gehabe an. Wer liebevoll flirtet darf auch mal aufreiten, doch wer sich schlecht benimmt, lernt alle Abwehrmöglichkeiten der Ladys kennen und zu respektieren.

Nach oben